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Tryptase in der Hämatologie

DER SERUM-TRYPTASETEST 
KLINISCHE ANWENDUNG IN DER HÄMATOLOGIE

 

WOLFGANG R. SPERR, PETER VALENT

Universitätsklinik für Innere Medizin I, Klinische Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie, Medizinische Universität Wien, Österreich

 

Innerhalb des letzten Jahrzentes wurden verschiedene molekulare Marker in die klinische Hämatologie eingeführt. Die Mehrheit dieser Marker sind Indikatoren für spezifische Gendefekte und für Prognose und Nachsorge essenziell. Abgesehen von diesen spezifischen Markern sind serologische Parameter für die Diagnose und Prognose von hämatologischen Neoplasmen von großer Bedeutung.

Von allen Markern, die in jüngster Zeit entwickelt wurden, erscheint die Serum-Tryptase der verlässlichste Biomarker für myeloische Neoplasmen zu sein. Verschiedene myeloische Erkrankungen und Neoplasmen einschließlich der Mastozytose, der myelodysplastischen Syndrome, der myeloproliferativen Neoplasmen, der akuten myeloischen Leukämien, der chronisch myeloischen Leukämie und der chronischen Eosinophilen-leukämie können erhöhte Tryptasekonzentrationen aufweisen. Aktuelle Daten zeigen, dass die Tryptasekonzentration im Serum für diese Patienten von diagnostischer und/oder prognostischer Bedeutung sein kann.

Bei der Mastozytose ist die Tryptase in der WHO-Klassifikation ein Nebenkriterium für eine systemische Beteiligung und und bei der CML dient die Serum-Tryptase als prognostischer Biomarker. In diesem Artikel möchten wir auf den klinischen Nutzen der Tryptase-Messung in der täglichen Praxis fokussieren und Empfehlungen für die Anwendung dieses Biomarkers in der klinischen Hämatologie geben.


EINLEITUNG

Tryptase ist ein Sammelbegriff für die Familie der Trypsin-ähnlichen Serinproteasen, die vorwiegend in Mastzellen (MCs) und zu einem geringeren Maße in unreifen basophilen Granulozyten  im Blut produziert und gespeichert werden. Das Enzym wird unabhängig von der Lokalisierung, des Reifungsstadiums oder des Subtyps von Mastzellen produziert und freigesetzt. Alpha- und Beta-Tryptase sind die beiden Hauptformen, welche in Mastzellen produziert werden. Die Alpha-Form wird kontinuierlich in Mastzellen produziert und freigesetzt, während die Beta-Form vorwiegend in den Mastzell-Granula gespeichert und erst nach einer Stimulation, z. B. bei einer anaphylaktischen Reaktion, freigesetzt wird.

Bei einer schweren  anaphylaktischen Reaktion erfolgt ein rascher Anstieg der Tryptasekonzentration und es dauert Stunden bis Tage, bis die Tryptase wieder zum Basalwert zurückgekehrt ist. Deswegen kann der Vergleich der im symptomfreien Intervall gemessenen basalen Tryptasekonzentration mit der während eines anaphylaktischen Zwischenfalls gemessenen Konzentration ein Mastzellaktivierungsyndrom bestätigen.

Im Gegensatz zu Mastzellen speichern ausgereifte basophile Granulozyten im Blut keine oder nur sehr wenig Tryptase. Allerdings ist zu beachten, dass unreife basophile Granulozyten größere Mengen an Tryptase produzieren und freisetzten können, speziell bei der CML.

Tryptasen haben nur eine begrenzte Anzahl von bekannten natürlichen Substraten, zeigen jedoch ein breites Spektrum an biologischen Aktivitäten. Genau genommen sind Tryptasen in die Regulation der Zellproliferation und des Zellwachstums involviert, ebenso in die Prozessierung von (Pro-) Hormonen, sowie in die Aktivierung von fibrinolytischen Enzymen und den Abbau von Plasma- und Matrixmolekülen. Außerdem scheinen die Tryptasen das wirksamste Mitogen für diverse mesenchymale Zellen wie Fibroblasten oder Endothelzellen zu sein. Weiter degradiert die Tryptase Fibrinogen und aktiviert die Pro-Urokinase. Andere biologische Effekte umfassen die Spaltung des vasoaktiven intestinalen Peptids (VIP) und die Spaltung des prä-atrialen natriuretischen Faktors (ANF) in seine aktive Form. Die enzymatische Aktivität von Beta-Tryptase ist abhängig von den Umgebungsfaktoren. Optimale Bedingungen und Faktoren scheinen in den MC-sekretorischen Granula, dem primären Ort für die Enzymexpression und Speicherung vorhanden zu sein. Für die Bildung von Tetrameren in vitro ist ein niedriger pH-Wert (6.0), eine Ionenstärke equivalent zu 160 mM NaCl und ein Temperaturbereich von 22-37° C optimal. Bei neutralem pH wird die enzymatisch aktive (tetramere) Form des Enzyms durch Heparin stabilisiert.

Während der letzten zwei Jahrzehnte wurden  mehrere Tests zur Bestimmung von Tryptase entwickelt. Bei einem Test, dem Fluoreszenz-Enzym-Immunoassay, können alle Hauptspezies der Tryptase (Alpha- und Beta-Form und alle Prä-Formen des Enzyms) nachgewiesen werden. Dieser Test ist heute weit verbreitet und kommerziell erhältlich. Dieser Serum-Tryptaseassay ist einfach, zuverlässig und sehr gut reproduzierbar. Es gibt keine präanalytischen Vorsichtsmaßnahmen und die Serumproben können vor der Messung versendet oder gelagert werden.

Erhöhte Tryptasekonzentrationen im Serum finden sich vor allem bei myeloiden Erkrankungen, fast alle Patienten mit einem lymphoiden Neoplasma haben normale Tryptasekonzentrationen. Erhöhte Tryptasewerte kommen in 90 % aller Patienten mit SM, 37 % mit AML, 34 % mit CML und 24 % mit MDS vor. Die höchsten  Tryptasespiegel, die oft 1000 ng/ml überschreiten, wurden bei vorgeschrittenen MC-Neoplasmen und bei Core- Binding Factor Leukämien gefunden. Bei der Mehrheit aller Patienten mit reaktiver Leukozytose/Thrombozytose oder idiopathischer Zytopenie waren die Serum-Tryptasewerte normal (≤15 ng/ml, d.h. unter der 99. Perzentile). Bei Patienten mit nicht-hämatologischen Erkrankungen wurden einige Fälle (d.h.:6/18 Patienten mit Nierenversagen im Endstadium, 3/29 Patienten mit Helmintheninfektionen) mit Tryptasewerten etwas über 15 ng/ml gefunden. Bei familiären Mastzellaktivierungssyndromen mit oder ohne SM können ebenso erhöhte Tryptasekonzentrationen festgestellt werden.

 

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TRYPTASEKONZENTRATIONEN BEI GESUNDEN MENSCHEN

Die Mediankonzentration von Tryptase im Serum bei gesunden Menschen ist durchschnittlich 5 ng/ml mit einer Schwankungsbreite von < 1 bis 30 ng/ml. Bei über 99 % aller gesunden Probanden zeigte sich eine Tryptasekonzentration im Serum ≤ 15 ng/ml. Bei Frauen und Männern unterscheiden sich die Mediankonzentrationen der Tryptase im Serum geringfügig, wobei Frauen niedrigere durchschnittliche Tryptasespiegel zeigen. Unter 16-jährige Probanden haben eine geringfügig niedrigere Tryptasekonzentration im Serum als Erwachsene und mit steigendem Alter kommt es auch bei gesunden Menschen zu höheren Tryptasewerten.

Viele Ärzte verwenden eine Konzentration von < 11,4 ng/ml als Grenzwert. Dieser Wert, welcher durch eine vom Hersteller des kommerziellen Tests durchgeführte Studie angegeben wird, ist die obere 95. Perzentile von gesunden Probanden. Manchmal wird auch ein Wert < 10 ng/ml als Entscheidungsebene für weitere Untersuchungen herangezogen.

In dieser Hinsicht ist es jedoch bedenklich, dass bei gesunden Personen mit einer Serum-Tryptasekonzentration von 10-15 ng/ml fälschlicherweise eine Abnormalität oder ein Mastzellaktivierungssyndrom, nur aufgrund der erhöhten Tryptasekonzentration diagnostiziert wird. Außerdem sollte beachtet werden, dass Interferenzen aufgrund von heterophilen Antikörpern in seltenen Fällen zu falsch positiven Ergebnissen im ursprünglichen Test geführt haben. Eine Aktualisierung des Tryptase-Assays hat jedoch diese Interferenzen fast komplett eliminiert (Februar 2015). Es gibt etliche gesunde Probanden  mit einer Serum-Tryptasekonzentration zwischen 10 und 15 ng/ml  und es gibt sogar gesunde Personen, bei denen die Serum-Tryptasekonzentration einen Wert von 20 ng/ml übersteigt. Dennoch zeigt die überwiegende Mehrheit (99 %) aller gesunden Probanden Serum-Tryptasekonzentrationen < 15 ng/ml. Zu erwähnen ist, dass entzündliche Krankheitsprozesse einschließlich viraler oder bakterieller Infektionen keinen Einfluss auf die Enzymkonzentrationen haben und diese auffallend stabil bleiben. Einige Personen mit chronisch aktiver Helminthen-infektion oder Nierenversagen können leicht erhöhte Tryptasekonzentrationen im Serum aufweisen. Wie oben schon erwähnt kann natürlich eine transiente Erhöhung der Tryptasespiegel ein charakteristisches Merkmal einer anaphylaktischen Reaktion sein.

BESTIMMUNG DER TRYPTASE BEI HÄMATOLOGISCHEN ERKRANKUNGEN

Bei Patienten mit hämatologischen Malignomen, einer reaktiven Leukozytose/Thrombozytose oder einer idiopathischer Zytopenie finden sich erhöhte Serum-Tryptasekonzentrationen von > 15 ng/ml (> 99. Perzentile der gesunden Kontrollen) fast ausschließlich beim myeloischen Neoplasma wie SM, MDS, MPN, AML, CML und CEL. Bei Patienten mit lymphoiden Neoplasmen, einschließlich  der Lymphome und des multiplen Myeloms, liegen die Tryptaseniveaus generell im Normalbereich.

Normale Tryptasekonzentrationen werden generell auch bei Patienten mit nicht malignen hämatologischen Erkrankungen, wie der reaktiven Leukozytose/Thrombozytose oder der idiopathischen  Zytopenie inklusive der Patienten mit einer idiopatischen Zytopenie unklarer Signifikanz (ICUS) gefunden. Die myeloischen Erkrankungen, bei denen ein hoher Prozentsatz an Patienten erhöhte Tryptasewerte zeigen, sind die SM, die akute myeloische Leukämie (AML), das myelodysplastische Syndrom (MDS), die chronische myelomonozytäre Leukämie (CMML), die chronische myeloische Leukämie (CML) und die chronische eosinophile Leukämie (CEL). Es ist zu beachten, dass nicht alle Patienten dieser Gruppen erhöhte Tryptasekonzentrationen haben und dass der Prozentsatz an Patienten mit erhöhter Tryptase abhängig vom Krankheitstyp variiert. Insbesondere zeigen > 90 % der Patienten mit einer SM eine deutliche Erhöhung  der Tryptase-konzentrationen im Serum. Ungefähr 30-40 % aller Patienten mit AML und 30-35 % aller Patienten mit CML haben bei der Diagnosestellung erhöhte Serum-Tryptasewerte (> 15 ng/ml). Im Gegensatz dazu ist die Häufigkeit bei Patienten mit MPN und MDS viel geringer. Ausnahmen sind Patienten mit MPN oder CEL, bei denen die neoplastischen Zellen das FIP1L1/PDGFRA Fusionsgen exprimieren. Bei der Mehrheit dieser Fälle sind erhöhte Tryptasekonzentrationen im Serum festzustellen.

BESTIMMUNG DER TRYPTASE BEI MASTOZYTOSE

Die anfängliche Entwicklung der Tryptase als Diagnosemarker in der klinischen Hämatologie konzentrierte sich auf die Mastozytose. Insbesondere Patienten mit SM haben meistens Serum-Tryptasekonzentration > 20 ng/ml, wobei zwei Drittel aller Patienten mit kutaner Mastozytose (CM) eine Konzentration unter 15 ng/ml haben. Die Gruppe der indolenten SM (ISM) weist eine hohe Schwankungsbreite der Tryptase auf. Bei Patienten mit sehr hohen Tryptasekonzentrationen im Serum (> 200 ng/ml) wird die Erkrankung als smouldering SM (SSM) bezeichnet. Zu beachten ist, dass eine Serum-Tryptasekonzentration von > 200 ng/ml ein Merkmal für eine SSM ist. Fast alle Patienten mit aggressiven Krankheitsvarianten haben erhöhte Enzymkonzentrationen, die oft > 200 ng/ml überschreiten (aggressive SM (ASM), MC-Leukämie (MCL), SM mit einer assoziierten Nicht-Mastzell-Linien-Erkrankung). Erhöhte Tryptasekonzentrationen im Serum sind ebenso typisch für die myelomastozytäre Leukämie (MML), eine wichtige Differentialdiagnose für die MCL. Im Gegensatz zu Patienten mit ASM und MCL bleiben die Tryptasespiegel bei Patienten mit ISM oder SSM im Lauf der Zeit generell in einem stabilen Bereich, was von besonderer klinischer Bedeutung ist. Bei Patienten, die MCL haben oder entwickeln, steigen die Tryptasekonzentrationen hingegen manchmal auf > 1000 ng/ml.

Tryptasespiegel > 20 ng/ml wurden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als diagnostisches Nebenkriterium für eine SM definiert. Die Bestimmung der Tryptasekonzentration ist gegenwärtig ein häufig verwendeter und zuverlässiger Screening-Parameter für Patienten mit Verdacht auf SM. Bei Erwachsenen mit einer Tryptase > 20 ng/ml ist die Wahrscheinlichkeit für eine SM hoch, insbesondere in Kombination mit typischen Hautläsionen. Dies ist auch der Fall bei Patienten mit bekannter Insektengiftallergie, bei denen eine erhöhte Tryptasekonzentration, die indikativ für eine SM auch ohne Hautläsionen sein kann, manchmal im symptomfreien Intervall gemessen wird. Bei diesen Patienten sollte die weitere Diagnostik eine Knochenmarkbiopsie beinhalten. In vielen Fällen wird bei dieser Untersuchung eine SM und die KIT Mutation D816V festgestellt.

BESTIMMUNG DER TRYPTASE BEI AML

Mehreren Berichten zufolge wurden erhöhte Serum-Tryptasekonzentrationen (> 15 ng/ml) bei 30-40 % aller Patienten mit einer de-novo-AML festgestellt. Bei diesen Leukämien mit erhöhten Tryptasekonzentrationen exprimieren leukämische Blasten das Enzym und setzen es auch frei. Der Prozentsatz an Tryptase-positiven Fällen sowie die Mediankonzentration von Tryptase zum Zeitpunkt der Diagnose korreliert mit dem Subtyp der AML sowie dem Karyotyp. Interessanterweise konnten die höchsten Tryptasekonzentrationen bei Patienten mit Core-Binding Factor Leukämien festgestellt werden. Bei Fällen von Promyelozytenleukämie hatte die Mehrheit aller Patienten Serum-Tryptasekonzentrationen > 20 ng/ml. Es wurde allerdings auch in der Patientengruppe mit intermediärem oder ungünstigem Karyotyp eine Untergruppe mit erhöhter Konzentration gefunden. Bei einigen AML-Patienten mit erhöhten Tryptasekonzentrationen kann eine MC-Linien-Beteiligung und/oder die KIT D816V Mutation festgestellt werden. In diesen Fällen wird normalerweise eine overte SM (SM-AML) diagnostiziert. Beim Großteil dieser Patienten wird als endgültige Diagnose eine SM mit Tryptase-positiver AML (SM-AML) festgestellt.

Bei Patienten mit Tryptase-positiver AML können die Enzymkonzentrationen zum Monitoren der Erkrankung während und nach der Chemotherapie verwendet werden. In Fällen mit einer Persistenz erhöhter Tryptasekonzentration zum Zeitpunkt der kompletten hämatologischen Remission (CR) oder einem erneuten Enzymanstieg kam es zumeist zu einem Rezidiv. Die SM-AML stellt eine wichtige Ausnahme dar. Beim Großteil dieser Patienten stammen die Tryptasekonzentrationen im Serum von der SM-Komponente der Erkrankung und nicht von der AML. Daher gibt es keine wesentliche Abnahme während oder nach der Chemotherapie (oder sogar bei der Stammzelltransplantation), da die SM-Komponente normalerweise resistent ist. Das Fortbestehen der erhöhten Tryptasekonzentrationen bedeutet jedoch keine Resistenz der AML für die Chemotherapie bei der SM-AML. In der Tat gibt es Patienten mit SM-AML mit einem langfristig rückfallfreien Überleben nach einer Stammzelltransplantation trotz der Fortdauer der SM-Komponente dieser Erkrankung.

BESTIMMUNG DER TRYPTASE BEI PH+CML

Basophilie, bedingt durch eine Vermehrung unreifer basophiler Granulozyten und reifer Zellen, ist einer der wichtigsten bekannten Risikofaktoren  bei der CML. Diese Zellen sind bei der Erkrankung die Hauptquelle für Tryptase, und verantwortlich für eine erhöhte Tryptasekonzentration, die bei 30-40 % beobachtet werden kann. Ungefähr ein Drittel aller Patienten in der chronischen Phase (CP) weist erhöhte  Tryptasekonzentrationen > 15 ng/ml auf, wobei ungefähr 70 % der fortgeschrittenen CML-Patienten, bei denen Basophilie ein charakteristisches (diagnostisches) Merkmal ist, erhöhte Tryptasekonzentrationen aufweisen. Außerdem wurden signifikante Unterschiede bei den Tryptasekonzentrationen beim Vergleich der prognostischen Risikogruppen der Sokal, der Hasford und der EUTOS Scores gefunden, und die Serum-Tryptasekonzentrationen korrelieren ebenso mit der Basophilenzahl. Bei CP-Patienten mit einem Serum-Tryptasewert > 15 ng/ml war das Progressionsrisiko hoch, und der Vergleich von ereignisfreiem Überleben von CP-Patienten mit normalen oder erhöhten Tryptasekonzentrationen im Serum zeigte ebenso deutliche Unterschiede.

Diese Daten weisen darauf hin, dass die Serum-Tryptase als ein prognostischer Biomarker bei neu diagnostizierter CML angesehen werden kann. Außerdem hat eine aktuelle Studie gezeigt, dass die Bestimmung der Tryptase im Serum die Anzahl der basophilen Granulozyten beim EUTOS Score ersetzten könnte, welche genutzt wird, um Patienten mit einer neu diagnostizierten CML zu klassifizieren. Dieser modifizierte EUTOS-T Score könnte tatsächlich den prognostischen Wert dieses Scores in Bezug auf die Überlebensvorhersage bei CML- Patienten, die mit Imatinib behandelt worden sind, erhöhen.

BESTIMMUNG DER TRYPTASE BEI ANDEREN MYELOISCHEN NEOPLASMEN: MDS, MPN UND CEL

Die Tryptasekonzentration im Serum ist auch bei bestimmten Patientenuntergruppen erhöht, die an anderen myeloischen Neoplasmen leiden. So haben ungefähr 25 % der Fälle mit MDS und ungefähr 30 % mit HES/CEL erhöhte Enzymkonzentrationen. In der Patientengruppe mit ET und CIMF zeigen nur wenige Patienten eine erhöhte Serum-Tryptase.

Die Expression von FIP1L1/PDGFRA ist typisch für CEL, MPN oder eine MDS/MPN Overlap-Erkrankung mit ausgeprägter Eosinophilie (MPN-eo oder MPN/MDS-eo). Klonale Mastzellen (CD25+), die in manchen dieser Fälle nachgewiesen werden können, tragen hier womöglich zu erhöhten Tryptasewerten bei. Nur wenige dieser Patienten haben eine assoziierte SM (SM-CEL). Erhöhte Tryptasekonzentrationen sind allerdings nicht auf die Expression des PDGFRA-Fusionsgens in Patienten mit MDS oder MPN beschränkt. Es wird angenommen, dass eine MC-Hyperplasie, eine Zunahme unreifer basophiler Granulozyten oder eine Zunahme Tryptase-positiver Blasten, für die erhöhten Enzymkonzentrationen verantwortlich ist. Im Gegensatz zur AML und CML hat die Bestimmung der Tryptase im Serum keine großen diagnostischen oder prognostischen Auswirkungen bei MDS oder MPN. Daher empfehlen wir nicht die generelle Bestimmung von Tryptase bei diesen Patienten. Ausnahmen stellen Patienten mit MDS oder MPN mit beschriebener Basophilie oder Eosinophilie dar. Hier ist ein Serum-Tryptasetest wichtig, da manche dieser Patienten einen PDGFR- oder FGFR-mutierten Typ der Erkrankung oder eine SM-AHNMD haben könnten. Bei sehr hohen Tryptasekonzentrationen können die Enzymkonzentrationen im Follow up als krankheitsassoziierter Parameter zum Monitoring herangezogen werden. Daher sollte der Tryptasetest bei Patienten mit MDS oder MPN  nur einmal bei der Diagnose gemacht werden. Folgebestimmungen von Tryptase sind nur in Einzelfällen sinnvoll.

TRYPTASE ALS ROUTINE-TESTPARAMETER IN DER KLINISCHEN HÄMATOLOGIE

Mehrere Studien haben gezeigt, dass bei verschiedenen Patientengruppen mit myeloischen Neoplasmen erhöhte Tryptasekonzentrationen vorkommen können. Da dieser Parameter diagnostisches und prognostisches Potenzial hat, haben viele Ärzte den Tryptasetest für den täglichen Einsatz in der Praxis etabliert, insbesondere für Patienten mit SM. Der Einsatz von Tryptase als Untersuchungsparameter ist wichtig für Patienten mit Verdacht auf Mastozytose, CEL und myeloisches Neoplasma.

Die Serum-Typtase ist ein sinnvoller (nicht-invasiver) Screeningparameter für Patienten mit Zytopenien, Leukozytosen oder Thrombozytosen unklarer Ätiologie. Erhöhte Tryptasekonzentrationen im Serum können  in diesen Fällen auf ein myeloisches Neoplasma hinweisen. Daher sollten sich Patienten mit ständig erhöhten Tryptasekonzentrationen einer Knochenmarkuntersuchung unterziehen, um das Vorhandensein eines myeloischen Neoplasmas  zu belegen oder auszuschließen. Tryptasekonzentrationen im Normalbereich schließen jedoch ein myeloisches Neoplasma nicht aus.


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